In Zeiten von Krisen ist es hilfreich, den Horizont zu erweitern und sich zu fragen: Welche Länder für Outsourcing und Offshoring kommen, insbesondere für die IT, infrage? Wir haben uns herausragende Länder und den aktuellen Wandel genauer angeschaut.
Übersicht:
Was gibt es bei der Länderwahl zu beachten
Bevor wir zu den Top 5 Ländern bzw. Regionen im Outsourcing kommen, werfen wir einen Blick darauf, welche Informationen für die Entscheidung besonders relevant sind.
Entfernung und Sprache
Wie weit ist der Kulturkreis des Landes von Ihrem Hauptsitz entfernt? Dies spielt gleich in mehrerer Hinsicht eine Rolle: Bedenken Sie den Zeitunterschied, der sich auf Ihr Outsourcing-Projekt auswirkt, kulturelle Unterschiede und eventuell nötige Wege, damit Projektleiter regelmäßig die Qualität vor Ort sicherstellen können. Ebenso steigt die Wahrscheinlichkeit, dass rechtliche Gegebenheiten wie beispielsweise im Bereich Datenschutz innerhalb der EU sehr ähnlich sind. Sollten Sie sich außerdem aus dem einen oder anderen Grund dafür entscheiden, dass die Projektsprache Deutsch bevorzugt wird, schmälert auch das die Länderauswahl.
Preis
Früher das Hauptkriterium, um IT-Outsourcing zu betreiben, spielt der Preis mehr und mehr eine Nebenrolle. Haben Sie mehrere Länder in der Auswahl, ist der durchschnittliche Stundensatz aber natürlich einer der Faktoren. Stellen Sie sich die Frage, wo Ihre Priorität liegt, denn ein geringerer Preis kann auch bedeuten: geringere Qualität, geringere Krisensicherheit oder mehr interner Aufwand bei Abstimmung und Fehlerkorrektur.
Know-how
Ist das Land für eine spezifische Leistung herausragend, hat durch gute Bildungsvoraussetzungen und einen großen Pool an Fachkräften in einem bestimmten Bereich einen Vorsprung gegenüber anderen Staaten? Informieren Sie sich über den Arbeitsmarkt.
Krisensicherheit
Wie wichtig ist nun unter diesen Punkten eine stabile politische und wirtschaftliche Situation? Wir beobachten es immer wieder, dass sich diese grundsätzlich auf alle anderen Bereiche auswirken kann: Die Zusammenarbeit mit anderen Ländern kann eingeschränkt werden, die Wirtschaft Einbußen verzeichnen, sodass Geschäftspartner und Dienstleister schließen müssen und vieles mehr. Ja, es handelt sich also um einen wichtigen Faktor. Dieser ist aber nicht immer gut einzuschätzen. Es kann gut sein, dass sich für Ihr Projekt ein nicht ganz krisensicheres Land anbietet.
Wie Sie die Zusammenarbeit mit instabilen Ländern vorbereiten, erfahren Sie in diesem Beitrag:
Top 5 Regionen und Länder für Outsourcing und Offshoring
(Süd-)Ost-Europa (Nearshore Outsourcing)
Baltikum, Balkan, Polen und andere osteuropäische Länder sind seit jeher Hotspots für IT-Outsourcing. Entwickler dort haben eine gute Ausbildung und in der Regel gute Englischkenntnisse. Mit der wachsenden Zahl qualifizierter Softwareentwickler steigt natürlich auch die Nachfrage nach europäischen Entwicklern im Nearshoring.
Diese Vorteile gehen mit moderaten Marktkosten einher. Die durchschnittlichen IT-Servicekosten in Osteuropa sind geringer als hierzulande. Natürlich variieren sie je nach Spezialisierungsgrad des Projekts.
Auf Polen setzen große globale Marken wie Microsoft und Oracle. Polen hat eine stabile wirtschaftliche Situation und bietet gute steuerliche Anreize. Die kulturelle Affinität zu Deutschland macht es auch für KMU zu einem interessanten Ziel für Outsourcing. Das Land verfügt über mehr als 400 Outsourcing-Zentren und gut ausgebildeten IT-Experten.
Insbesondere das Baltikum hat in den letzten Jahren an Bedeutung im IT-Outsourcing gewonnen. Estland, Lettland und Litauen sind EU-Mitgliedsstaaten und Teil der Europäischen Währungsunion. Dadurch sind sie politisch stabil, unterliegen der DSGVO-Einhaltung und haben hoch qualifizierte IT-Experten. Die Preise sind allerdings im Vergleich zu anderen (süd-)osteuropäischen Ländern in den letzten Jahren signifikant angestiegen, aber dennoch leicht unter dem Niveau der westeuropäischen Staaten.
(Balkan-)Länder wie Rumänien und Bulgarien könnten eine Alternative sein. Die Länder zählen zu europäischen Niedriglohnländern mit wachsendem IT-Sektor. Rein sprachlich bieten beide Länder Vorteile: Etwa 98 Prozent aller Bulgaren sprechen eine Fremdsprache und vier von fünf Rumänen sprechen gut Englisch. Nicht zuletzt deshalb werden rumänische Anbieter auch häufig für Sprach-Dienstleistungen gebucht (auch für Deutsch!).
Nordeuropa (Nearshore Outsourcing)
Andere Nearshore-Länder wie Finnland, Norwegen, Schweden oder Dänemark haben viele Manager nicht auf dem Schirm. Dabei bieten sie hoch spezialisierte Fachkräfte mit hervorragenden Englischkenntnisse und hohe Krisensicherheit. Die Qualität hat allerdings ihren Preis – weshalb die Honorare hier eher im höheren Preisbereich liegen. Dennoch machen IT-Dienstleistungen zum Teil mehr als 30 % der exportierten Dienstleistungen aus (siehe Daten der World Bank Group).
Portugal (Nearshore Outsourcing)
Auch Portugal ist normalerweise nicht das erste Land, an das man denkt, wenn man IT-Experten sucht. Das Land und seine IT-ler gewinnen in den letzten Jahren aber zunehmend an Popularität. Portugal als Nearshore-Standort lockt mit niedrigen Steuern, günstigen Mieten sowie einem großen Talentpool. Zudem ist das Land für sein transparentes Rechtssystem bekannt. Das Monatsgehalt eines portugiesischen Softwareentwicklers liegt etwa 20 % – 30 % niedriger als in Deutschland. Bei den paradiesischen Stränden werden sich auch die wenigsten Projektleiter beschweren, wenn sie ein paar Tage im Jahr dort den Projektfortschritt überwachen. 😎
Indien (Farshore Outsourcing)
Laut der Unternehmensberatung Korn Ferry könnten die Technologieführer China und USA bald mit einem unglaublichen IT-Fachkräftemangel konfrontiert sein. Dies würde Indien die Möglichkeit geben, mit voraussichtlich 1 Million IT-Fachkräften bis 2030 die Führung als technologisch fähigste Nation zu übernehmen.
Als ehemalige Kolonie sind die Englischkenntnisse hier ein klarer Pluspunkt (sofern man mit dem Dialekt zurechtkommt). Vermutlich wird das Land auch deshalb häufig für das Auslagern vom IT-Support gerade von größeren Unternehmen gewählt.
Vietnam (Farshore Outsourcing)
Vietnam als Outsourcing-Land gewinnt immer mehr an Bedeutung. Die Lohnkosten in Vietnam sind immer noch sehr niedrig und es gehört zu den schnell wachsenden Volkswirtschaften, sodass es immer mehr in Konkurrenz mit Indien tritt.
Insbesondere die Anzahl an Softwareunternehmen steigt kontinuierlich. Im Bereich App-Entwicklung ist das Land international konkurrenzfähig. Aber auch hier herrscht eher ein Fachkräftemangel, weil das Bildungssystem dem Wachstum nicht gewachsen ist.
Englischkenntnisse sind allerdings noch wenig ausgeprägt, was aber der niedrige Lohn kompensieren könnte. Auch der Zeitunterschied ist hinnehmbar: 5 Stunden Unterschied bedeuten in der Regel mindestens einen überschneidenden Nachmittag bei den Arbeitszeiten.
Das Outsourcing-Zielland steht fest – wie geht es weiter? Lesen Sie hierzu: Wie man den richtigen Anbieter oder Partner für IT-Outsourcing findet
Wandel durch Ukraine-Krieg
Nach Covid, Suez-Kanal-Blockade und Ukraine-Krieg prüfen viele Unternehmen und auch ganze Staaten Möglichkeiten, Lieferketten zu verkürzen und die Herstellung kritischer Produkte bzw. den Bezug von IT-Dienstleistungen auch in Krisenzeiten sicherzustellen. Während den Hochzeiten der Pandemie waren insbesondere in Asien viele Standorte geschlossen. Und während der Ukraine-Krise beobachten wir, dass auch Geschäftsbeziehungen und -Standorte in Russland oder Belarus aufgegeben werden.
Dennoch, eine De-Globalisierung wird sicherlich nur begrenzt stattfinden. Sicher ist, dass Unternehmen ihre Lieferketten auf Risiken prüfen sollten. Das Gleiche gilt für Service-Provider im IT-Outsourcing: Erstellen Sie eine Analyse des Risikopotenzials und erarbeiten Sie möglichst im Vorfeld eine Strategie, die für den Fall von Lieferverzögerungen oder gar Ausfällen greift. Outsourcing ist gerade für den Mittelstand ein wichtiges, strategisches Instrument, welche in Betracht gezogen werden sollte.
Fazit: Je weiter entfernt, desto günstiger – aber auch riskanter!
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass industrialisierte Länder den höchsten Grad an Spezialisierung mit relativ teuren Arbeitskräften bieten. In der Regel kann man hier von einer stabilen politischen und wirtschaftlichen Situation ausgehen und somit auf geringes Risiko setzen.
Handelt es sich um ein Nearshore-Land, wie die Länder in Ost-Europa, bieten diese ein ausbalanciertes Verhältnis von Lohnkosten und Lohnkostendynamik. Dazu kommen im EU-Raum die positiven Faktoren Regulierung und Datenschutz sowie kulturelle Nähe und Sprachkenntnisse.
Die klassischen, weiter entfernten Farshoring-Länder wiederum schöpfen aus einem großen Pool von Hochschulabsolventen. Die Lohnkosten sind dort am niedrigsten, deren Dynamik allerdings sehr hoch. Außerdem muss man sich bei der Zusammenarbeit mit größeren kulturellen Differenzen auseinandersetzen. Zu beachten sind hier insbesondere die politische Stabilität und die Arbeitsbedingungen, die einen großen Effekt auf die Außenwirkung Ihrer Firma und die Qualität haben können.
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Titelbild: blushdesign